Selbsthilfegruppe Leuchtturmstimme

sexualisierte, rituelle und organisierte Gewalt

D H I L M O P R S

rituelle Gewalt

Rituelle Gewalt wird definiert als eine Form planmäßiger und systematisch ausgeführter körperlicher und psychischer Gewalt, die von Gruppierungen ausgeübt wird, die ihre Handlungen in ein Glaubenssystem einbetten oder ein Glaubenssystem vortäuschen.

Im Endbericht der Enquete-Kommission des 13. Deutschen Bundestages „Sogenannte Sekten und Psychogruppen“ umfasst die Definition des rituellen Missbrauchs neben den Formen sexueller und physischer Übergriffe auch psychische Übergriffe auf Kinder und jüngere Jugendliche. Charakteristisch für „rituelle Handlungen“ als Ausdruck eines Glaubensystems seien wiederkehrende Symboliken und gleichförmige Handlungen, wie sie etwa während kultisch-ritueller, satanistisch-magischer Rituale vollzogen werden. Diese rituellen Elemente können auch in der Kinderpornografie zum Einsatz kommen und dienen als wiederkehrende Rahmenelemente bei sexuellem Kindesmissbrauch.[64] Auch Becker verweist im Zusammenhang mit ritueller Gewalt auf das Umfeld der Kinderpornografie und betont, dass die verbreitete Auffassung, rituelle Gewalt beschränke sich auf satanistische Gruppierungen und „germanofaschistische Sekten“, nicht haltbar ist. Ein ideologischer Ursprung sei demzufolge nicht notwendigerweise erforderlich.[60]

Becker schlägt eine Differenzierung nach drei Kategorien vor. Er unterscheidet „kultischen rituellen Mißbrauch“, bei dem die Misshandlung wesentliches Element eines organisierten Glaubenssystems ist und der sexuelle Missbrauch als Mittel zum Zweck instrumentalisiert ist; „pseudo-rituellen Mißbrauch“, bei dem der Missbrauch innerhalb eines organisierten kriminellen Systems bzw. von Einzeltätern erfolgt, dem kein ideologisches Glaubenssystem zugrunde liegt und Kinder über Bilder übernatürlicher Kräfte wie Geister bedroht werden; „psychopathologischer ritueller Mißbrauch“ ist schließlich Bestandteil eines Wahn– und Zwangssystems, das mit starken Perversionen verknüpft ist.[60]

Mehrere Fachwissenschaftler nehmen an, dass Menschen durch gezielte Folter konditioniert und sogar programmiert werden können, indem bereits in frühester Kindheit eine dissoziative Identitätsstörung herbeigeführt wird.[66][67][68]

Die umstrittene[8] Psychotherapeutin Michaela Huber führt aus, dass die Erfahrung ritueller Gewalt ein besonders schweres Trauma darstellt, wenn die Gewalt als „heilige Handlung“ inszeniert wird und den Opfern hierdurch der Eindruck vermittelt wird, sie seien „auserwähltes Opfer“. Infolge der meist seit frühester Kindheit erfahrenen Traumatisierungen entwickeln die Opfer häufig eine dissoziative Identitätsstruktur. Die Spaltung in verschiedene Persönlichkeitsanteile verringert die Möglichkeit, dass Betroffene Gehör finden. Sich wiederholende Misshandlungen könnten als bewusster Akt seitens der Täter gedeutet werden, reflexartige Verhaltensweisen einzutrainieren (Konditionierung). In dissoziiertem Zustand seien die Opfer weitgehend wehrlos den Befehlen der Täter ausgeliefert gewesen. Gemäß Umfrageergebnissen wurden manche Betroffene dazu gezwungen, selber Gewalthandlungen durchzuführen und somit gleichzeitig zum Täter zu werden. Schuldgefühle, die daraus resultieren, verknüpft mit Angst vor eigener Strafverfolgung können bewirken, dass Betroffene auf Hilfsangebote nicht reagieren.[69]

Nach Ansicht des Psychologen Peter Fiedler von der Universität Heidelberg sind rituelle Missbrauchserfahrungen in der Kindheit nur in „sehr seltenen Einzelfällen“ die Ursache für dissoziative Identitätsstörungen.[70]

Zunehmend angewandte Möglichkeiten des Opferschutzes sind behördliche Auskunftssperre, Namensänderung, Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz. Eine ungenügende Beweisbarkeit erschwert vor allem familienrechtliche Interventionen sowie Unterstützung nach dem Opferentschädigungsgesetz. Betroffene, welche noch bis ins Jugend- oder Erwachsenenalter in Gruppen der organisierten rituellen Gewalt eingebunden sind, benötigen eine professionelle Ausstiegsbegleitung (meist durch Psychotherapeuten oder Sozialarbeiter).

Die psychotherapeutische Betreuung orientiert sich zumeist an psychotraumatologischen Erkenntnissen. Eine typische, fast regelhafte Folge von ritueller Gewalt sei neben dissoziativen Störungen die komplexe posttraumatische Belastungsstörung (K-PTBS). Als komorbide Störungen werden vor allem DepressionenEssstörungen, Zwangsstörungen und Persönlichkeitsstörungen genannt.[71][72]

Quelle: Seite „Rituelle Gewalt“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 29. Juni 2023, 12:34 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Rituelle_Gewalt&oldid=235035242 (Abgerufen: 28. August 2023, 21:27 UTC)